Unterscheide und entscheide!

In letzter Zeit frage ich mich selbst: Bin ich noch Journalist, bin ich Redakteur oder bin ich ein Textverarbeiter? Angesichts sozialer Medien, der Debatte um Meinungsfreiheit und so genannter Bürgerjournalisten durchaus eine Frage von Belang. „Schreiben kann doch jeder!“ Ist das so? Die Antwort liegt im Auge des Betrachters.

Als Journalistin arbeite ich unabhängig nach einem, mir in vielen Jahren anerzogenen journalistischen Kodex, der meinen verantwortungsvollen Umgang mit relevanten Informationen in der Öffentlichkeit regelt. Journalisten, so habe ich es einmal gelernt, sind die vierte Gewalt im Staat. Neben Legislative, Judikative und Exekutive gibt es in uns Journalisten eine Art Konsekutive.
Als Journalistin untersuche ich einen Sachverhalt von allen Seiten, verwende wenn möglich mehrere Quellen, überprüfe diese kritisch und ordne das Geschehene ein. Mein geschriebenes Wort muss mit meinem Gewissen vereinbar sein. Ich trage Verantwortung für die Information, die ich nutze.

Als Redakteurin habe ich eine verantwortungsvolle Position. Meine Gewichtung bestimmt, welches Thema ins Blatt findet, welchen Schwerpunkt meine Veröffentlichung setzt, welcher Lesestoff ausgewählt wird. Ich trage Verantwortung für die Information, die ich nutze. Und ich liefere Information regelmäßig oder bündele diese in einem gewissen Zeitraum.

Als Textverarbeiter nutze ich Information, deren Zugriff mir von dritter Seite erlaubt wird und erwünscht ist. Ich mache Vorschläge, wie über ein Thema berichtet wird, ich recherchiere zu diesem Thema und versuche, es zu durchdringen, um es zu verstehen. Um am Ende die entscheidende, bestmögliche Information zu vermitteln.

In allen drei Fällen nutze ich das erlernte Handwerk: Zuhören, Beobachten, einen Sachverhalt von allen Seiten betrachten, sprachlich versiert umsetzen.
Vielleicht habe ich zu allem auch eine Meinung, aber diese ist nicht Grundlage meiner Arbeit.

Denn: eine Meinung zu haben, das ist keine Kunst. Sie zu haben und dennoch nach handwerklichen Regeln zu schreiben, das ist die Herausforderung.